Einreise nach Mauretanien
Am 22.11. um 8:26 Uhr morgens setzt sich unser Konvoi in Richtung Nouadhibou zum Grenzübertritt nach Mauretanien in Bewegung. Ab nun werden wir den Rest der Reise nur noch in dieser Formation zurücklegen, wodurch ein Teil des Rallye-Feelings leider verlorengeht. Zum Einen liegt das an den Sicherheitsanforderungen bei der Durchreise durch Mauretanien. Zum Anderen schlichtweg an der stellenweise sehr schwierigen Route. Um in der Wüste nicht verloren zu gehen oder entführt zu werden, erhalten wir für die Durchfahrt Begleitschutz vom mauretanischen Militär und auβerdem die Unterstützung durch drei Wüstenführer, ohne die man den Weg durch die Wüste kaum finden würde.Ein Tag beim Zoll
Die Ausreise aus Marokko verlief sehr schnell und unkompliziert. Nachdem sich die ausgesprochen freundlichen Zollbeamten durch unsere mündliche Bestätigung davon überzeugt hatten, dass wir keine Waffen oder Drogen mit uns führen, lässt man uns mit dem Wagen aus dem Land. Merkwürdig fanden wir zuerst nur, dass das angrenzende Land (also Mauretanien) noch nichtmal in Sichtweite war und die Straβe trotzdem einfach aufhörte. Bis zur nächsten Grenze mussten wir also ein paar Kilometer Niemandsland durchqueren. Und zwar auf einem Untergrund, der nichtmal ansatzweise als Straβe bezeichnet werden kann. Zwischen beiden Ländern existiert nur ein Streifen Geröllwüste, der unseren überwiegend Nicht-Geländewagen einen Vorgeschmack auf die kommenden Tage gibt. Was wir zu diesem Zeitpunkt selbstverständlich noch nicht wissen.
Das Warten lohnt sich
Am Grenzübergang angekommen beginnt der eigentlich anstrengende Teil des Tages. Nämlich bei steigenden Temperaturen auf die Ausstellung des Visums warten. Und zwar im Modus „Schlange an der Supermarktkasse“ ohne die Option, eine weitere Kassiererin zu rufen. Jeder der ca. 80 Rallye-Teilnehmer wurde einzeln und hintereinander in einem Raum abgefertigt, der eher an einen Abstellraum für Sportmatten erinnerte. Das komplette Gegenteil vom Hi-Tech-Parkour in Tanger. Einziger Trost: das Visum für Mauretanien ist im Gegenastz zu denen anderer Länder sehr dekorativ. Kein langweiliger, einfarbiger Stempel, sondern ein ganzseitiger Aufkleber mit Foto (von einem selbst natürlich) und vielen farbenfrohen Sicherheitsmerkmalen. Während der ganzen Warterei mussten wir leider feststellen, dass unser Wagen die Stolperfahrt zwischen den Grenzen nicht ohne Blessuren überstanden hatte. Unser Treibstofftank tropfte, was insofern ungünstig ist, weil wir seinen Inhalt zum Weiterkommen benötigen. Gott sei Dank war es kein groβes Loch, sondern nur eine poröse Dichtung am oberen Teil des Tanks. Hieβ für uns: ab sofort nicht mehr volltanken.Erstes Camp direkt hinter der Grenze
Die Zollabfertigung dauerte bis in die Nacht hinein und somit waren wir gezwungen, uns nur wenige Kilometer hinter der Grenze einen Platz zum Übernachten zu suchen. Wo genau konnten wir leider nicht erkennen, weil es erstens stockfinster und zweitens komplett vernebelt war. Letzteres ist für diesen Teil der Welt übrigens extrem selten, wie wir tagsdarauf beim morgentlichen Briefing erfuhren.Vollgas!
Jetzt mal Hände hoch, wer schon mal mit 100 Sachen durch die Wüste gebrettert ist. Wusste ich es doch! Und was sich nach saumäβigem Spaβ anhört, ist es auch. Aber leider auch extrem leichtsinnig. Auf einer nahezu vollständig ebenen und festen Sandfläche, die so weit ist wie das Auge reicht, hat jeder nur noch eines im Sinn. Gas geben! Wer schon mal Mad Max gesehen hat, weiβ genau, wovon ich schreibe. Leider verlangt dieser Irrsinn seinen Tribut. Denn der Untergrund ist nur scheinbar plan. Hier und da gibt es Stellen, wo der Sand plötzlich weicher wird und die den Wagen kurz eintauchen lassen. Was problematisch wird, wenn sich (spitze) Steine darunter verbergen, die bei solchen Geschwindigkeiten zum Dosenöffner für Autos werden.Waschbretter
Am Folgetag (24.11.2017) machen wir gerade mal 70 km Strecke. Verglichen mit den 500-700 km, die wir bisher an einem Tag zurückgelegt haben, klingt das mager. Ist aber um einiges anstrengender. Für das Auto wie für die Passagiere. Das liegt nicht nur an der extrem trockenen Hitze, bei der man nicht zu schwitzen scheint; was sich aber nur so anfühlt, denn der Schweiß vertrocknet einfach zu schnell. Es liegt vor allem an der (ständig wechselnden) Bodenbeschaffenheit. Befestigte Straßen werden wir erst am Tag der Ausreise wieder sehen. Bis dahin fahren wir über Sandpisten. Die können mal hart wie Beton sein. Oder weich wie Schlagsahne. Weite Abschnitte ist er mehrere cm tief gerippt wie ein Waschbrett. Wie gut, dass wir eh nie wirklich Lust hatten, den Wagen aufzuräumen. Denn nach einer Waschbretttour ist nicht nur der eigene Mageninhalt gut durchmischt, sondern auch der des Autos.
Slingshots
Der 25.11.2017 beginnt um 8 Uhr mit Katapultschießen. Als Munition verwenden wir unsere Autos. Die Liste der dümmsten Dinge, die wir je im Leben gemacht haben, wird heute um einen neuen Eintrag bereichert. Slingshots nennen wir jene Abschnitte, bei denen die Fahrzeuge einzeln durchgeschickt werden müssen, weil der Untergrund hier so weich und holprig ist, dass man einen gewissen Schwung braucht, um darüber hinwegzugleiten. Die Kunst bei diesen Abschnitten liegt darin, diesen Schwung nicht zu verlieren. Egal wie langsam man sich bewegt, man darf auf keinen Fall stehen bleiben. Denn wer einsandet und sich nicht selbst wieder befreien kann, hat in der Regel keine Überlebenschance und muss qualvoll verdursten. Oooder nimmt die Hilfe der anderen Teams an und akzeptiert einen Strich auf der sogenannten Einsandeliste. Tod oder ewiger Spott. Muss jeder selber wissen.
Wir Kinder aus Nouamrhar
Gegen Mittag erreichen wir wieder den Strand. Ein Naturschutzgebiet, welches von angeschwemmtem Müll so stark belastet ist, dass ich mich frage, welche Natur hier eigentlich geschützt werden soll. Möglicherweise ja die Pelikane, die wir hier und da sichten. Der einzige schöne Anblick. Ein paar km weiter fahren wir an einem Dorf (Nouamrhar wie ich später erfahre) vorbei und sehen zum ersten Mal Anzeichen von einheimischem Leben. Und zwar in Form bettelnder Kinder, die bei der Sichtung unseres über 40 Fahrzeuge starken Konvois von allen Seiten herangestürmt kommen. Das Dorf ist von Plastikmüll derart überhäuft, dass ich es zunächst gar nicht als solches erkannt habe. Dass Kinder hier leben und spielen, ist kaum vorstellbar. Geschenke aus dem fahrenden Fahrzeug zu verteilen, ist uns untersagt worden, weil es für die Kinder sonst zu gefährlich wird. Warum das so ist, lernen wir schnell. Wird ein Fahrzeug nämlich als Spender identifiziert, spricht sich das (offenbar durch eine Art Gedankenübertragung) blitzschnell herum und das Auto wickelt sich auf magische Weise in einen Kokon aus lebenden Kindern ein. Und weil sich das Recht des Stärkeren (oder Lauteren) hier wohl auch schon herumgesprochen hat, nehmen die Kinder nicht automatisch Rücksicht aufeinander.Schäden und Verluste bisher
- Kompressor defekt (ist für stark frequentiertes Sitzmöbelaufblasen bei 40° Celsius nicht gebaut)
- Toms Fahrhandschuhe (vom Dach geweht)
- zwei 15A Sicherungen durchgebrannt
- Schloss unserer Heckklappe voll Sand und nur noch schwer zu öffnen
- ein Kamerobjektiv zerkratzt
- poröse Tankdichtung (siehe oben)
- unser Küchenmesser ist weg
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