Stell dir ein Land vor, das zum größten Teil aus Gebirge besteht. Stell dir ein Land vor, in dem jeder zweite noch den Bürgerkrieg von 1992-1997 miterlebt hat. Ein Land, dessen Wirtschaft von der Arbeitsmigration der Männer nach Russland abhängig ist und Korruption das tägliche Leben bestimmt. Ein Land, in dem Kinder mit Behinderungen als Strafe Allahs angesehen werden. Das ärmste Land der ehemaligen Sowjetunion – Tadschikistan.
Stell dir ein Land vor, wo die Gastfreundschaft das höchste Kulturgut ist. Wo ein Besucher mit allem beköstigt wird, was im Haus ist – auch wenn es bedeutet, dass die Familie selber weniger zu essen hat. Deren Kultur in der antiken persischen Welt begann und bis heute mit ihren Mustern und Farben das Auge verzaubert, mit ihren Gedichten und Poeten das Ohr betören, deren Speisen dem Gaumen schmeicheln – Tadschikistan.
In dem Dreiländereck von Usbekistan, Kirgistan und Tadschikistan, das vor allem landwirtschaftlich genutzt wird, liegt die Region Isfara mit etwa 240.000 Einwohnern. Die Stadt Isfara gilt als Aprikosenhauptstadt. Während Tadschikistan sich langsam ökonomisch von den Folgen der Unabhängigkeit von der Sowjetunion und dem Bürgerkrieg erholt, sind vor allem Menschen mit Behinderung Leidtragende der schweren Lebensumstände. Es gibt keine ausgebildeten Therapeuten und kaum Rehabilitationsmöglichkeiten. Zusätzlich gilt es in der Scham-Ehre-Kultur als sehr beschämend, ein Kind mit Behinderung zu haben, und viele Mütter trauen sich mit ihrem Kind gar nicht aus dem Haus.
Operation Mercy ist seit 2015 in Isfara aktiv. Durch Therapieangebote in Gruppen oder Einzeln, individueller Beratung, Hausbesuchen in schwer zugänglichen Regionen, Ausbildung zu Rehabilitationsarbeitern und Zurverfügungstellung von Ressourcen wie Hilfsvorrichtungen, orthopädischen Schuhen oder Hörgeräten versuchen wir, den Menschen mit Behinderung und ihren Familien Hoffnung zu geben und ihnen die gottgewollte Menschenwürde zurückzugeben. Durch unser Engagement möchten wir die Gesellschaft bewegen und sie zu Akzeptanz von Menschen mit Behinderung auffordern.
Nodira kommt mit ihrer Tochter Farakhnoz, welche zerebrale Kinderlähmung hat, seit drei Jahren zu unseren Rehabilitationsgruppen. Die Mutter ist überwältigt von dem Fortschritt, den sie jeden Tag sieht:
In der Vergangenheit habe ich einen großen Teil des Einkommens für Medikamente ausgegeben, die überhaupt keine Wirkung gezeigt haben. Operation Mercy hat mir erklärt, welche Übungen ich mit meiner Tochter machen muss. Inzwischen hat sie sitzen gelernt, kann endlich besser kauen und kann sogar verschieden Gesten machen, wenn sie durstig ist oder auf Toilette muss. Ich habe gedacht, dass Gott mich mit diesem Kind für eine Sünde straft. Inzwischen verstehe ich, dass Gott eine starke Mutter für dieses besondere Kind ausgesucht hat. Ich schäme mich nicht mehr, mit ihr auf die Straße zu gehen.
Operation Mercy ist als gemeinnützige Nicht-Regierungs-Organisation für ihre Arbeit auf Spenden angewiesen. Während alle ausländischen Mitarbeiter von Operation Mercy privates Fundraising für ihren Lebensunterhalt betreiben, entstehen Kosten für die Projektarbeit, welche durch Spenden gedeckt werden müssen. Valentin, seit vier Jahren in Isfara und Filialleiter von Operation Mercy Isfara erklärt:
In Tadschikistan übernehmen NGOs viele Aufgaben, die in Deutschland durch das Sozialsystem abgedeckt und durch Steuergelder bezahlt werden. Der Erlös der Rallye fließt zu 100% in die Arbeit von Operation Mercy. Wir können von dem Geld weiterhin Kindern mit Behinderung Rehabilitationsgruppen anbieten, ihnen die nötigen Hilfsvorrichtung lokal bauen und die Mütter und Sozialarbeiter besser schulen. Jeder Euro wird verwendet, um das Leben der Menschen vor Ort nachhaltig positiv zu verändern.
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