Es ist der 31.07.2019 und seit den fünf Tagen, die wir schon auf Achse sind, haben wir 3.200km zurückgelegt. Höchste Zeit also, dass wir euch ein wenig ausführlicher über unseren bisherigen Reiseverlauf berichten.
Herrngiersdorf
Die Aufregung und die Vorfreude am Tag des Starts stehen jedem von uns ins Gesicht geschrieben. Fast ein ganzes Jahr an Vorbereitung hat uns die bevorstehende Reise gekostet. Heute ist der Tag der Wahrheit.
Der Tag beginnt regnerisch, ein Zustand der unerwarteterweise noch ein paar Tage anhalten wird. Trotz des schlechten Wetters aber kommen zahlreiche Unterstützer unserer Rallye und verabschieden uns, wünschen uns viel Glück und freuen sich mit uns über den bisherigen Erfolg.
Verabschiedung #1 Verabschiedung #2 Verabschiedung #3
Und wie es sich für eine echte Charity-Rallye gehört, beginnt auch unsere mit einem Auto, das nicht anspringen will. Der Kelheimer Santa Fé, den wir liebevoll Molly getauft haben, hat leider die schlechte Angewohnheit, über Nacht die Batterie komplett leerzuziehen. Was sie mit dem Strom macht, wissen wir nicht. Vermutlich unerlaubt im Internet surfen.
So starten wir also mit einer leichten Verzögerung. Und es wird natürlich nicht die letzte gewesen sein.
Kecskemét
Die ersten 700 km reißen wir im Regen runter. Über deutsche, österreichische und ungarische Autobahnen kommen wir gewohnt schnell voran. Vignetten haben wir im Vorfeld über das Internet gekauft, was uns lästige Wartezeiten an den Mautstationen erspart. Und die Straßen sind trotz des Ferienbeginns in Süddeutschland überraschend frei.
Spät in der Nacht, nur wenige Kilometer vor der serbischen Grenze, im schönen Kecskemét, schlagen wir unser Lager auf. Da wir dummerweise zu spät daran gedacht haben, Hotelzimmer zu reservieren, entscheiden wir uns kurzfristig für eine Übernachtung im Auto. Für Tom und mich das erste Déjà Vu der Reise.
Schlafen im Auto Morgens um 7 in Kecskemét
Bevor wir uns die verdiente Mütze Schlaf gönnen, sorgen wir in einem kleinen Restaurant in der Nähe noch für unser leibliches Wohl. Es gibt Pizza und Salat, die wir unerfreulicherweise nicht mit Euro bezahlen dürfen, sondern nur mit hartem ungarischen Forint. Die Dame, die uns bedient, ahnt entweder nicht, dass sie den besseren Schnitt machen würde, wenn sie unsere Euros akzeptierte, oder sie ist der umständlichen Geldwechselei mittlerweile einfach überdrüssig geworden. Letzteres würde jedenfalls zu ihrem Gesichtsausdruck passen, mit dem sie uns die Rahmenbedingung der Transaktion gleich zu Beginn diktiert.
Molly trinkt
Die Nacht ist kurz und unbequem. Früh erwachen wir aus unserem Schlafprovisorium und zweckentfremden die umstehende Begrünung für unsere Morgentoilette, bevor die ersten Anwohner uns dabei erwischen. Außerdem macht sich Molly mit einem weiteren Laster bemerkbar. Wie wir nämlich feststellen müssen, klaut sie uns nicht nur den Strom, was wir diesmal durch nächtliches Abklemmen der Batterie verhindern konnten, sie trinkt außerdem. Und zwar unser Kühlwasser.
Aus Gründen, die uns zu diesem Zeitpunkt noch vollkommen unklar sind, schluckt sie unser Kühlwasser wie eine Halbstarke beim Komasaufen. Unerlaubt und viel zu viel.
Wohin das Wasser verschwindet, finden wir nicht heraus. Aber die naheliegenste Vermutung ist ein Leck irgendwo im Kühlkreislauf. Der Versuch, mit einem speziellen Dichtmittel, welches dem Kühlwasser beigemischt wird, das Leck zu stopfen, bleibt ohne Erfolg. Uns bleibt also für’s Erste nichts anderes übrig, als alle 100 km anzuhalten und ihr frisches Wasser einzutrichtern.

Serbien
Noch vor dem Mittag erreichen wir Grenze zu Serbien. Bei anfänglichen 23°C warten wir drei Stunden auf unsere Abfertigung. Im Stop-and-Go-Modus nähern wir uns den Grenzkontrollen und das Thermometer legt in der Zwischenzeit auch nochmal 6°C zu. Wir ahnen natürlich nicht, dass uns die serbische Grenzpolizei damit lediglich ein kleinen Vorgeschmack auf den kommenden Tag vermitteln möchte. Kleine Lektionen in Geduld, die jeder Roadtrip-Profi am besten schon mit der Muttermilch aufgenommen haben sollte.
Häufiger Anblick in diesen Tagen Willkommen in Serbien
Zu meiner Freude gibt es hier endlich auch den ersten Stempel in den Reisepass. Hat man damit nämlich einmal angefangen, ist das Suchtpotential nicht zu unterschätzen. Bestimmt dauert es nicht mehr lange, bis auf den Reisepässen Warnhinweise mit abschreckenden Bildern von überfüllten Grenzkontrollen abgedruckt werden.
Der Weg durch Serbien verläuft ohne große Aufregung. Wir passieren diverse Mautstationen, fahren über die Stadtautobahn durch das nachwievor sehr schmucklose und traurige Belgrad und von dort weiter in Richtung Sofia, der Hauptstadt Bulgariens.
Wir erreichen die Grenze am späten Nachmittag, womit wir perfekt im Zeitplan liegen. Denken wir jedenfalls noch.
Geduldspiel
Der Grenzübertritt beginnt für uns mit der Sperrung des Tunnels, der sich nur wenige Kilometer vor der Grenze befindet. Gerüchteweise erfahren wir, dass es im Grenzbereich einen tödlichen Autounfall gegeben haben soll, weswegen die Polizei den Zustrom an Autos und LKWs erstmal unterbindet. In den ca. anderthalb Stunden, die wir dort warten, füllt sich die Straße hinter uns mit Tausenden von Grenzgängern.
Für diese Zeit des Jahres ist das nichts Ungewöhnliches, wie wir noch vor der Abreise gelernt haben. Während der Sommerferien, die zufällig genau an diesem Wochenende in Bayern angefangen haben, fahren die Gastarbeiter, die in Deutschland vor vielen Jahren Familien gegründet haben, mit ihren Frauen und Kindern in die alte Heimat, die Türkei. Also genau dahin, wo wir auch hinwollen. Dass wir diesen Effekt so hautnah spüren werden, hätte wohl keiner von uns gedacht.
Warten vor dem Tunnel Warten nach dem Tunnel Warten im Dunkeln
Nachdem die Polizei den Tunnel wieder freigegeben hat und wir gleich mit dem ersten Schwung durchfahren dürfen, erwartet uns am Ende der Durchfahrt derselbe Anblick wie vorher: hunderte rote Rücklichter und keins davon bewegt sich.
Bis 2 Uhr morgens rücken wir bei gelegentlichen sintflutartigen Gewittern im Schneckentempo auf die Grenze zu. Niemand weiß, wie lange es dauern wird. Ablenkung von der Warterei bieten nur das chaotische und meist unverständliche Funkfeuer anderer Reisegäste, die ihre Spielzeug-Walkie-Talkies auf die gleiche Frequenz eingestellt haben wie wir, sowie die Performance der anderen Leidensgenossen bei der Suche nach ein wenig Privatsphäre zur Verrichtung der Notdurft in der kargen Umgebung.
Für unsere lasterhafte Molly wird dieser Abschnitt zur Belastungsprobe. Mehrfach muss Tom um fremde Starthilfe bitten, damit der Wagen wieder anspringt. Dafür ist er aber als erster von uns über die Grenze gekommen und fährt gleich weiter nach Sofia.
Per Anhalter über die Grenze
Lucy, so der Name unseres zweiten SUVs, und Helga, unser Opel Corsa, den wir zu Ehren der großzügigsten Spenderin so genannt haben, bringen ihre übernächtigten Insassen wenig später über die Grenze, von wo aus wir direkt weiterfahren. Am frühen Morgen trifft sich unsere Autofamilie an einer Raststätte, wir tanken Kaffee und Sprit und brechen auf nach Edirne, dem Grenzort an der Türkei.
Da ich auf dieser Strecke keinen Beifahrer habe, entscheide ich mich spontan, einen Anhalter mitzunehmen. Eren heißt er, kommt aus der Türkei und studiert sowas wie BWL. So habe ich gleich doppelt Glück. Denn seine Anwesenheit macht die Fahrt nicht nur kurzweiliger, ich habe gleich auch einen Dolmetscher dabei, was den Gedankenaustausch mit den Grenzbeamten in Edirne enorm erleichtert. Außerdem wird mein Wagen nicht kontrolliert, sondern einfach durchgewunken.
Während ich meinen Tagesbeitrag zur Völkerverständigung leiste und Eren in seine Heimatstadt Lüleburgaz bringe, bringen die übrigen Rallyeisten Teitis Bruder, der uns dankenswerterweise beim Fahren unterstützt hat, zum niegelnagelneuen Istanbuler Flughafen. Von nun an sind wir nur noch vier Fahrer und werden erst ab Isfahan im Iran wieder Verstärkung erhalten. Dieser Mangel an Beifahrern ist gleich doppelt nachteilig. Einerseits weil es die Ausdauer der wenigen Fahrer stärker strapaziert und andererseits weil dadurch auch weniger Bildmaterial zustandekommt. Denn wo kein Beifahrer, da kein Knipser.
Unterwegs in der Türkei #1 Unterwegs in der Türkei #2
Das Team schlägt am Nachmittag das Nachtlager in Izmir auf, etwa 100km östlich von Istanbul. Da ich zuerst im Autobahnnetz um Istanbul einmal falsch abbiege und anschließend Stunden brauche, um aus dem Feierabendverkehr der Stadtautobahn herauszufinden, erreiche ich das Hotel erst um 1 Uhr morgens. Die erste Dusche und das erste Bett seitdem wir aufgebrochen sind: traumhaft.
Intervention
Wir haben nun den 30.07.2019 und für die meisten von uns ist es der erste Morgen auf dem asiatischen Kontinent. Für solcherlei Rührseligkeit bleibt uns jedoch leider keine Zeit, denn Mollys Kühlwasserproblem kommt immer häufiger und intensiver zum Vorschein je mehr die Tagestemperatur zunimmt (mittlerweile bis 37°C) und je häufiger wir mit Anstiegen zu kämpfen haben (also ständig).
Auf unserem Weg in Richtung Ostanatolien sind wir alle halbe Stunde zum Anhalten gezwungen, da sich der Kühlkreislauf des Wagens immer wieder auf über 100°C aufheizt.
Molly darf nicht mehr fahren Im Eiltempo in die Autowerkstatt
Wir kommen schnell zu dem Schluss, dass wir mit diesem Zustand unmöglich weiterfahren können. Zumal die wirklich anspruchsvollen Streckenabschnitte noch vor uns liegen. Wir müssen das Auto reparieren lassen, sonst riskieren wir den zweiten Totalausfall. Wie praktisch, dass wir von Beginn an mit Pufferzeiten geplant haben.
An einer Art Raststätte, wo wir zum x-ten Mal das Wasser nachfüllen, bekommen wir schnell Hilfe angeboten. Unsere ratlosen Köpfe, die wir unter der geöffneten Motorhaube zusammenstecken, machen dem Personal, welches dort für die Versorgung der Gäste mit heißem Tee zuständig ist, schnell deutlich, dass wir ein Problem mit dem Fahrzeug haben.
Ohne große Umschweife arrangiert man für uns eine Sprechstunde in der nahegelegenen Werkstatt eines Bekannten. Mit Händen, Füßen und Google Translate versuchen wir uns dort in Symptombeschreibungen. Verschiedene Diagnosen werden aufgestellt, darunter auch Horrorszenarien wie eine defekte Zylinderkopfdichtung. Uns wird schnell klar gemacht, dass wir das Fahrzeug nicht länger bewegen sollten. Kurzerhand organisiert der Besitzer der Werkstatt einen Abschleppwagen für uns, der Molly mit einem halsbrecherischen Durchschnittstempo von etwa 100km/h über kurvige Landstraßen ins knapp 60km entfernte Çorum bringt, wo wir in einer der landestypischen Werkstattstraßen freundlich in Empfang genommen werden.
Frontschürze ab Seven Otomotiv
Mit einem Eifer und einer Hilfsbereitschaft, die wir (insbesondere von deutschen Werkstätten) noch nie erlebt haben, macht sich Arif Seven, der Chef von Seven Otomotiv, mit seiner Crew an die Analyse des Problems. Mit geschickten Handgriffen wird die Frontschürze des Wagens abgenommen, um anschließend den Kühlergrill abschrauben zu können. Selbst dem Laien (also mir zum Beispiel) fällt sofort auf, dass dieser schon bessere Tage erlebt hat und dringend gereinigt werden sollte. Auch das Thermostat, welches den Kühlkreislauf regelt, wird unter die Lupe genommen und als defekt befunden. Und wo schon mal alles offen liegt, bietet er uns auch an, gleich die Wasserpumpe und den Zahnriemen zu erneuern.
Für diese Nacht bleibt der Wagen in der Werkstatt und mit dem Versprechen, dass bis zum Mittag des nächsten Tages alles repariert sein wird, ziehen wir uns in ein ausgesprochen schickes und dennoch günstiges Hotel in der Stadt zurück.
Am Morgen des 31.07.2019 teilen wir uns auf. Während Tom in der Werkstatt auf die Fertigstellung des Autos wartet, fahren Valle, Teiti und ich mit den anderen beiden Fahrzeugen voraus. Wir lassen uns von der E70, die sich entlang der türkischen Schwarzmeerküste bis an die georgische Grenze schlängelt, nach Artvin führen. Dort beziehen wir ein geräumiges Apartement, welches seinen praktisch vollständigen Mangel an Küchenutensilien offenbar mit einem Überschuss an Schlafzimmern (vier Stück) wettzumachen versucht.

Tom holt uns nur eine knappe Stunde später ein, was für den Erfolg der Reparaturen spricht. Zwar konnte das Rätsel des ständigen Wasserverlustes noch nicht gelöst werden, aber die Reparaturen haben wenigstens dafür gesorgt, dass die Motorkühlung wieder funktioniert. Molly trinkt also immer noch wie ein Loch, aber bleibt immerhin cool dabei. Für die kommenden Tage fühlen wir uns gerüstet.
Morgen, am 01.08.2019, steigen wir früh aus den Federn und werden versuchen, die verlorene Zeit wieder gutzumachen, denn sonst ist unsere geplante Route durch den Iran gefährdet. Unser Ziel wird das ca. 500km entfernte Eriwan in Armenien sein, von wo aus wir am nächsten Tag zur iranischen Grenze aufbrechen werden.
Was bleibt noch zu sagen?
Die Rallye ist anstrengend, wie wir es erwartet haben. Aber ganz im positiven Sinne. Wir erleben viel und jeder Tag ist aufregend und voller neuer Erfahrungen. Die Menschen begegnen uns überall mit freundlicher Neugier und sind jedesmal gerührt, wenn wir ihnen erzählen, was uns zu diesem Kraftakt antreibt. Allein das entschädigt für alle Strapazen.
Wir melden uns wieder mit dem nächsten Artikel aus Isfahan. Drückt uns die Daumen, dass alles klappen wird!

keep moving! i´m so happy for you. i think molly should now stop drinking the cooling water like a fish. this you rallye trip is full of experience and excitements….though there are lots of obstacles and challenges but guess what you´ll reallly catch up. i keep my fingers crossed full time! you are good to go……………………
Guten Morgen,
vielen Dank für den Ausführlichen Bericht und die vielen Bilder. Man merkt gar nicht das weniger „geknipst“ wird:-)
Durch diese Website fühlt es sich für mich an als wäre ich dabei. Danke dafür!!!
Viel Kraft für die Fahrt und Liebe Grüße.
Bye
Super Bericht! Vielen Dank dafür! Ich sitz an der Nordsee Küste, sauge jede Info geradezu gierig auf und fiebere mit, ob Molly endlich mal eine Etappe ohne Zicken schafft…
Hört sich sehr anstrengend an , aber auch spannend und voller interessanter Begegnungen
Weiterhin Gottes Segen ans Team
Ich wünsch euch weiterhin good luck und viel Spaß beim Fahren, Schauen und euch Verzaubern lassen 🙂
Servus aus dem kühlen Herrngiersdorf, ich bin ebenfalls total fasziniert. Tom du kennst mich, ich lese normalerweise keine Bücher, aber das ist wirklich hochinteressant. Die Bilder sind top und ich schaue ständig, wo ihr gerade rumdüst. Wenn ihr mal pausiert, habe ich immer Angst, dass Molly schon wieder Probleme macht. Werde euch weiter verfolgen und wünsche euch alles Gute auf eurem weiteren Weg.